Von Landlust zu Landfrust
Diese Geschichte ist wirklich passiert und spiegelt das Leben auf dem Dorfe wieder, wie es wirklich ist. Für den, der durch den Ort fährt, verschließt sich diese Geschichte. Ahndorf ist sehr klein. Etwa 40 Bewohner leben hier. Hier wirtschaften noch drei Bauern und ein Biobauer mit ihren Familien. Die anderen Dorfbewohner sind entweder Rentner oder Schläfer, die außerhalb des Dorfes arbeiten und nur zum schlafen nach Hause kommen. Das einstige Bauerndorf hat sich in den vergangenen 50 Jahren gewandelt. Denn in den meisten Dörfern gibt es keine Bauern mehr, die das Land bewirtschaften. Es sind nur noch die Gehöfte, die daran erinnern. In unserem Dorf sind tatsächlich noch Bauern, die das Land bewirtschaften. Tiere gibt es auch noch. Ein Bauer hat noch Kühe, die sind aber eingesperrt. Der Biobauer hat zwar auch Kühe, aber die müssen draußen rumlaufen. Ansonsten gibt es nur einige Katzen, ca. 9 Stück, ca. 4 Hunde, 2 Esel und das war es dann auch schon mit den Tieren hier im Dorf.
Doch nun zur eigentlichen Geschichte. Die Namen in dieser Geschichte sind geändert, damit die betreffenden Personen nicht erkannt werden.
So wie jeden Tag die Sonne aufgeht, so macht sich Klara Katzenfloh mit ihrem Hund auf zur täglichen Kackrunde. So war es auch an diesem Morgen im Februar, als Klara sich auf den Weg macht. Struppi und sein Kumpel Rüpel ( Hunde ) laufen schon einmal voraus. Sie kennen die Route und lieben diese Abwechselung. Endlich können sie auf Schnupperkurs gehen und sich das verdaute Hundefutter vom Leibe schaffen. Klara folgt den Hunden langsamen Schrittes. Damit geht sie sicher, das sie Veränderungen auch rechtzeitig zu sehen bekommt. An diesem Morgen gibt es die ersten Veränderungen. In den Folgetagen setzen sich die Veränderungen fort. Was ist passiert? In der Hecke von Bauer Hinnerk wird gesägt.
Die Windschutzhecken (Hecken) des Bauern Hinnerk befinden sich an der Kack-route der Hunde. Über die Jahrzehnte waren einzelne Pulkeichen in dieser Hecke bereits zu einer Höhe von fünfzehn Metern herangewachsen und mit ihren weit ausladenden Ästen überragen diese bereits die Grenze um über sechs Meter. Die Äste sind so lang und schwer, das sie sich zum Boden neigen. Immer wenn Bauer Hinnerk mit seinem Trecker auf dem Feld arbeitet, schlagen die Äste auf den Trecker ein. Das findet Bauer Hinnerk gar nicht toll. Er ruft seinen Bürgermeister Uwe Richter an und klagt ihm sein Leid. Uwe zeigt Verständnis an. Da er weder Personal, noch Geld hat, um Personal zu bezahlen, sagt er dem Hinnerk, dass er die Hecke selber ausschneiden soll. Das war Hinnerk eben recht, denn seit Jahrhunderten hatten seine Vorfahren die Hecken bepflanzt und gepflegt. Das anfallende Holz wurde zum Heizen verbraucht. Getreu dem Motto: Arbeit für Wärme ! Hinnerk und seine Männer machen sich daraufhin an die Arbeit. Sie sägen die störenden dicken Äste ab, Aus den Pulkeichen werden auch einzelne Stämme herausgesägt, damit neue Äste wachsen können, die den Wind aufhalten. Aus den Ästen und Stämmen sägen die Hinnerker das Brennholz heraus. Das Astwerk legen sie in die Hecke, damit Vögel und andere Kleintiere sich darin aufhalten oder Schutz finden können.
Klara und Ortwin Katzenfloh
Klara Katzenfloh geht täglich an Hinnerks Hecke lang, weil es ja so schön ist, an dieser Hecke. Es gefällt ihr aber nicht, dass Hinnerk das gesägte Holz auf seinen Hof bringt. Beim Mittagessen spricht sie darum mit ihrem Mann Ortwin darüber. Da Ortwin Bauer, aber auch Ehemann ist, hört er sich die Klagen seiner Liebsten an. Die Liebste klagt, die Bäume gehören doch der Gemeinde und der Hinnerk steckt sich das Holz ein. Das geht doch nicht, tu was dagegen. Ortwin liebt seine Frau und hört auf sie. Er ruft Uwe an. Uwe, sagt er, Hinnerk hat da Bäume von der Gemeinde abgesägt ,das musst du dir ansehen, das geht doch nicht.
Bürgermeister Uwe Richter übt sein Amt aus
Ab hier, wird diese Geschichte ein Verwaltungsakt mit dramaturgischem Inhalt. Es vergehen zunächst einige Wochen, es kommt der Wonnemonat Mai und alles wird grün. An einem schönen Montagmorgen, die Sonne hat bereits an Kraft und Intensität gewonnen, erscheint ein Rollkomando. Die Gemeinde schlägt zurück, in der Gestalt von Uwe als Bürgermeister, Volkwin Börger als Ratsmitglied und Ortwin Katzenfloh als Zeuge und Vermessungsassistent. Hinnerk verlässt gerade sein Haus um auf seinen Acker zu gehen und staunt über das gemeinschaftliche Treiben vor seinem Haus. Das Rollkommando Gemeinde, ist mit einem Rollmaßband am Vermessen des Gemeindeweges, wo sich auch die besagte Hecke befindet. Hinnerk geht auf die Drei zu, weil er wissen will, was diese im Schilde führen. Er wird mit bösen Blicken empfangen, eine unangenehme Spannung liegt in der Luft. Unter anderen Umständen teilen wir banale, freundschaftliche Rituale aus. Doch jetzt, kein freundschaftlicher Gruß, kein Händeschütteln. Uwe wird gleich sachlich. In der Hand hat er ein Klemmbrett mit einer Karte. Zu Hinnerk gewandt erklärt er ihm, sie würden die Straße vermessen um zu sehen, ob die gefällten Eichen auf Gemeindegrund stehen. Unmut überfällt Hinnerk.’’ Was soll denn diese Aktion?’’ , fragt er Uwe. ``Das war doch abgesprochen``. Eine heftige Diskussion entwickelt sich. Hinnerk wird auf-geklärt, dass er die Hecke unerlaubt ausgesägt hat. Jetzt wollen sie, als die Gemeindevertreter, die Grenze nachmessen, um festzustellen, dass das Holz der Gemeinde gehört. Da staunt Hinnerk. Es war doch alles abgesprochen und geklärt, nun dieses Szenario. An eine telefonische Absprache konnte oder wollte sich Uwe nicht erinnern. Mit einer leichten Verstimmung zeigt Hinnerk, auf seine vermeintliche Grundstücksgrenze. Um das deutlicher zu machen, sagt er zu Uwe, dass er ein Satellitenbild holen will, da wäre die Grenze deutlich zu sehen.
Das Satellitenfoto
Zu diese Stelle passt eine weitere Episode, die zur Entstehung des Satellitenfotos geführt hat. In der Periode vor Hinnerks Hofübernahme, beantragte sein Vater Agrar- Subventionen, so wie alle Bauern. Und dann geschah etwas Unvorhersehbares, ein Knaller. Das war vor fünf Jahren. Ein Rückforderungsbescheid der zuständigen Agrarsubventionsstelle flatterte ins Haus. Hinnerks Vater fiel aus allen Wolken. Das Amt forderte eine vierstellige Summe Geld zurück. Bei einer unangemeldeten Kontrolle wurde festgestellt, dass die Feldgrenzen von Ästen aus dem Hecken-bereich überragt waren. Diese Äste der Hecke würden keine ordentliche Bewirt-schaftung zulassen, schrieb die Behörde. Die überragende Fläche wäre somit nicht subventionsfähig. Dazu gab es im Anhang ein Satellitenfoto, auf dem die Grenzen rot markiert waren. Jeden Baum und jeden Strauch konnte man auf dem Foto genau erkennen, somit auch die überragenden Äste die zum Feld gewachsen waren. Ergänzend gab es ein Vermessungsprotokoll über die verschattete Fläche. Das gezahlte Geld dafür wurde nun zurückgefordert und zwar für fünf Jahre rückwirkend, plus Zinsen. Auf diesen Schreck hin beschloss Hinnerks Vater, nie wieder Subventionen zu beantragen.
Nun wieder zurück zur eigentlichen Geschichte. Das Satellitenfoto hat Hinnerk schnell gefunden. Mit der festen Überzeugung und dem bereits deutschen, behördentauglichen Verwaltungsdokument (Satellitenfoto des Amtes für Agrar-struktur), geht Hinnerk nun nochmals zu dem Vermessungs-Rollkommando. Er spricht Uwe an. Uwe, als Protokollant und hauptamtlicher Vermessungsleiter, schaut verachtungsvoll auf ihn herunter. Er begutachtet das Foto argwöhnisch und meinte das wäre zu ungenau. Der rote Grenzstrich würde nie den Grenzverlauf anzeigen, die Kronen und Äste der Bäume auf dem Bild würden stören. „Darauf kann ich keine Grenze erkennen“. Ein Wort gibt das andere, aber es führt zu nichts. Schließlich einigt man sich darauf, das die Grenze neu zu vermessen sei. Auch haben sie keinen Grenzstein finden können, sondern sich an der Nachbargrenze orientiert und an dem Verlauf des Moorweges. Uwe und Hinnerk verständigen sich. Das Katasteramt soll die Grenze neu vermessen, Steine setzen und ein Protokoll erstellen über die abgesägten Bäume. So kann amtlich festgestellt werden, welcher Baum, wem gehört. Damit war der Grundstein für eine langwierige Auseinandersetzung gelegt und sollte folgend das friedliche Dorfleben beeinträchtigen.
Vibrationen im Dorfgefüge
Die Aktion ist nicht geheim, verbreitet sich und schlägt unterschiedliche Wellen an Sympathie und Antisympathie. Auszumachende Zeichen sind schnell erkennbar. Die Ortsansässigen haben die Angewohnheit sich zu grüßen. Als Fußgänger sagt man: ’’Guten Tag’’, als Lenker oder Beifahrer eines Fahrzeuges hebt man die Hand zum Gruß. Bereits am nächsten Tag wundern sich Hinnerk und auch seine Familienanhänger darüber, das einzelne Dorfbewohner ihren Blick geradeaus bei-behalten wenn sie in ihre Nähe kommen. Das ist ungewöhnlich bis dato. Es entwickelt sich eine gespaltene oder zumindest ignorierende Stimmung im Dorf. An Klara und Ortwin kann Hinnerk es besonders beobachten. Fortan sind die beiden der Spiegel des Dorfes. Wer in diesen Spiegel sieht, fühlte die negative Energie. Denn wie sich nach und nach zeigt, ist der Spiegel wohl etwas ramponiert und ein Zerrbild zeigt sich. Das hält keiner lange aus, auch in Ahndorf nicht. Klara und Ortwin haben sich ins ‚’’Aus’’ gekickt.
Das Katasteramt kommt
Der Vermessungsauftrag muss von beiden Parteien, der Gemeinde und dem Grund-eigentümer erteilt werden. Entsprechend anteilig werden dann auch die Kosten geteilt. Das sind etwa 600,00 € für jeden. Dieses vorweg, damit Ihr Leser einen Blick für die Kosten und den vermeintlichen Streitwert bekommt.
Früh am Morgen kommen die Männer mit ihrer Ausrüstung und beginnen mit der Arbeit. Mit Interesse begrüßen Hinnerk und sein Vater die amtlichen Vermesser. Es sind ca. 900 Meter zu vermessen. Dabei sind die versteckten, überwachsenen Steine freizulegen. Das dauerte eine ganze Weile. Ein Grenzstein ist nicht auffindbar und muss ersetzt werden. Nach der Grenzfeststellung kommt das Vermessen der Baum-stümpfe dran. Jeder Baumstumpf wird separat vermessen und in das Katasterblatt eingezeichnet. Am frühen Nachmittag ist das Werk vollendet.
Erst einmal ! In der anschließenden Besprechung der Vermesser mit Hinnerk, gibt es ein vorläufiges Ergebnis. Einige Bäume gehören Hinnerk, die Mehrzahl der Gemeinde. Die Auswertung soll in den nächsten Tagen beiden Parteien zugestellt werden. Hinnerk ist damit zufrieden. Uwe ist nicht da. Ist ja auch nicht erforderlich. Dann kommt die Überraschung. Wenige Tage später kommen die Vermesser wieder. Hinnerk kriegt das natürlich mit, weil die Grenze an seinem Haus vorbeiführt. Er erkundigt sich, worum es heute geht. Es ist doch schon alles festgestellt. Nun ja, Uwe ist das nicht genau genug vermessen, es soll nachgebessert werden. Einzelne Baumstümpfe sind so dicht an der Grenze, oder auf der Grenze. Uwes Auftrag lautet für heute: Festellen, wo die Mitte des Baumstupfes ist, dann den Durchmesser bestimmen und im Vermessungsblatt einzeichnen welcher Anteil des Baumstupfes über die Grenze ragt. Und das dauert und dauert. Als gegen Mittag die Vermesser immer noch da sind, sucht Hinnerk das Gespräch. Seine Bedenken sind die zu erwartenden Kosten. So viele Stunden sind mit Vermessung vergangen und im Amt kommt ja auch noch die Nacharbeit dazu. Zur Beruhigung wird ihm mitgeteilt, dass der vereinbarte Kostenrahmen eingehalten wird. Einige Tage darauf, liegt das schriftliche Ergebnis vor. Alles ist super auf den Zentimeter eingetragen, es hat sich aber nichts geändert am vorherigen Ergebnis.
Uwe macht die Rechnung auf und verlangt Schadensersatz
Tage später meldet sich Uwe zum Gespräch bei Hinnerk an. Er möchte die Ergeb-nisse der Vermessung besprechen. Wir schreiben das Jahr 2015 und Uwe kommt in den kalten Morgenstunden vorbei. Nach dem Austauschen der üblichen Höflich-keitsfloskeln, merkt Hinnerk doch noch einmal an, dass das Heckenausschneiden doch von ihm genehmigt war. Doch auch jetzt will Uwe sich nicht daran erinnern. Dafür macht er den Vorschlag für einen Vergleich. Vergleich hört sich schon einmal gut an, denkt Hinnerk, und hofft auf ein gutes Angebot. Irrtum ! Uwes Angebot lautet, er ist bereit, die Vermessungskosten zur Hälfte mitzutragen und für die abgesägten Bäume verlangt er Ersatz. Diese Bäume würden an anderer Stelle in der Gemeinde gepflanzt werden. Da er gut vorbereitet ist, übergibt er Hinnerk einen Kostenvoranschlag über die Ersatzbäume. Das sollte der Vergleich sein ?
Hinnerk ist sichtlich angepisst. Erst die Lügerei nach dem Motto „ich weiß von nichts“, dann der Vorschlag zur Kostenteilung. Rechtlich ist eine Kostenteilung schließlich verbindlich. Und dann kommt er mit einem Kostenvoranschlag über Ersatzbäume mit der stolzen Summe von rund 7.500,00 € !
Von Hinnerk kommt ein kurzes Aufstoßen, gefolgt von einigen kräftigen Atemzügen und lautem Räuspern. Schließlich folgen kurze Sätze: ’’ Dieser faule Vergleich gefällt mir nicht. Damit bin ich nicht einverstanden. Damit können sich gerne Anwälte be-schäftigen.’’ Von Uwe kommt daraufhin kein weiterer Lösungsvorschlag und so trennen sich die beiden.
Kurze Zeit später trifft sich der Familienrat zur Lagebesprechung. Alle sind sich darin einig, dass die Forderung von Uwe inakzeptabel ist. Und langsam keimt der Verdacht auf, das hier wohl ein Exempel zur Abschreckung für spätere Zeiten oder Nach-ahmer statuiert werden soll. Vielleicht ist es auch eine angeborene latente Persönlichkeitsstörung, gepaart mit Missgunst, die hier ausgelebt werden soll. Im Hause Hinnerk wird spekuliert und analysiert, wie und warum Uwe so ist wie er ist. Schließlich wird es in der Sache weitergehen. An diesem Tag gehen die Gedanken auch in die Vergangenheit von Uwe zurück. Schließlich hat er bereits mehrere Amtsperioden als Bürgermeister überstanden. Mit ihm werden regelmäßig frag-würdige Entscheidungen verbunden. Doch es gibt auch ’’Gute’’. Wenn es seinem Vorteil dient, kommen auch freundliche Worte aus Uwe heraus. Der Bevölkerung ist es recht so. Während die einen über ihn schimpfen, freuen sich die anderen. So ist das halt ! Getreu unserem biblischen Verständnis: Wer ohne Schuld sei, werfe den ersten Stein. Dazu eine kleine Episode. Vor kurzer Zeit wurden hier die Ortsverbindungsstraßen saniert. Die Kostenverteilung sah vor, dass die Straßenabschnitte innerorts die Gemeinde Boitze zahlen sollte und zwischen den Orten die Samtgemeinde. Zur Entlastung der Gemeindekasse beauftragte Uwe seinen Hilfssheriff die Ortschilder dichter an die Bebauungsgrenze des Ortes zu verlegen. In der Folgezeit konnte jedes Gemeindemitglied das Phänomen wandernder Ortschilder beobachten. Zwar wunderten sich einige Bürger darüber, aber sie verstanden die gute Absicht. Immerhin diente es dem Verkehrsfluss. Späteres Abbremsen und höhere Durchfahrtsgeschwindigkeit führten doch zur Fahrzeitverkürzung. Bei unseren ortsansässigen Rasern, aber auch bei den eiligen gewerbsmäßigen Rasern, traf Uwe auf Wohlwollen.
Na ja, es gibt eben noch viele Geschichten, die von Hinnerks Familienrat besprochen werden. Es wird beschlossen abzuwarten, bis etwas Schriftliches kommt. Das kam auch. In derselben Woche flattert Uwes Aufrechnung ins Haus. Er teilt Hinnerk mit, was er von ihm erwartet. Auch das Holz will er zurückhaben. Mit einem Termin versehen und einer Angabe, wo er das Holz hinbringen soll endet das Schreiben - Punkt ! –
Rechtsanwälte helfen und beraten uns
Recht schnell oder besser gesagt, zeitnah, schaltet Uwe einen Rechtsanwalt für Familienrecht ein. Sein Schriftverkehr ist ganz in Uwes Sinne verfasst, sprichwörtlich in die Feder diktiert. Dabei wird die Sachlichkeit vernachlässigt, die Forderung auf einen hohen Schadensersatzanspruch in den Vordergrund gestellt. Hinnerk sucht sich daraufhin ebenfalls Rat bei einem Rechtsanwalt. Briefe gehen hin und her. Eine Ortsbegehung wird verabredet, die Anwälte wollen sich einen persönlichen Eindruck verschaffen. Nach einer Besichtigung vor Ort fällt erst einmal Papier an. Die Forderung der Gemeinde wird noch einmal dargelegt, spezifiziert und anfängliche Fehler weg gelassen. Hinnerk hat den Verdacht, dass der Herr Anwalt von der Gegenseite das Thema Agrarrecht nur gefühlsmäßig beherrscht. Zu diesem Zeitpunkt hat die Vermessung stattgefunden und die Auswertung liegt vor. Es ist bereits Juli und die Anwälte melden Urlaub an. Die Sache ruht. Am 8. September kommt es zu einer seltsamen Bewegung. Der Anwalt der Gemeinde legt sein Mandat nieder. Als Grund führt er an, sich auf den bevorstehenden Ruhestand vorbereiten zu müssen. Er gibt das Mandat an eine andere Kanzlei ab.. Die neue Anwaltskanzlei will die Sache nicht übernehmen. Schadenfreude keimt bei Hinnerk auf. Diese renommierte Kanzlei ist im Agrarrecht eine regionale Größe. Sie will sich wohl nicht ihren guten Ruf in der Szene beschädigen. Kanzlei Nummer 3, übernimmt den Fall. Ihr Schwerpunkt ist Familienrecht, Strafrecht und Arbeitsrecht Das lässt einiges erwarten. Sie arbeiten richtig gut. In ihrem ersten Schreiben kommen interessante Ansagen. Der zuständige Förster vom hiesigen Forstverband soll sich die Hecke und das Holz ansehen und die Schadenshöhe ermitteln. Vorsorglich ( wegen der guten Ordnung) wird der Schadensbetrag von rund 7.500,- € zur sofortigen Zahlung gefordert. Doch jetzt kommt der Knüller. Es wird bestritten, dass der Bürgermeister Uwe seine Erlaubnis für die Pflege der Hecke erteilt hat. Das Fällen von irgendwelchen Eichen hätte er ebenfalls nicht erlaubt. Seine Einwilligung bezieht sich lediglich auf den weiter nördlichen Abschnitt der Hecke. Als Hinnerk das zu lesen bekommt, freut er sich. War das nicht die Bestätigung, dass er vorher mit Uwe gesprochen und um eine Erlaubnis gebeten hat ? Allerdings hat er die Erlaubnis in seinem Interesse abgeändert.
Ab hier unterbreche ich die Anwaltsgeschichte. Für den weiteren Ablauf kommt der Förster des Forstverbandes an die Reihe.
Der Förster wird um Rat gefragt
Im Kreis Lüneburg gibt es sehr viel Wald, der überwiegend den Bauern gehört. Daher kommt auch das Wort Bauernwald. Es sind Privatwälder. Daneben gibt es Staatswälder, die der Bundesrepublik Deutschland gehören. Für die Belange und Bewirtschaftung werden Spezialisten benötigt, Förster. Besondere Fachkenntnisse müssen vorhanden sein, um diesen grünen Beruf auszuüben. Sie müssen ihre Wälder und deren Eigentümer kennen. Im Winterhalbjahr wird im Wald Holz geerntet. Alte und dicke Bäume werden abgesägt und aufbereitet zu Industrie- oder Bauholz und danach für den Abtransport zusammengestellt. Er begutachtet die aufgeforsteten Flächen, die auch als Schonungen bezeichnet werden. Dann entscheidet er, welche Bäume herausgenommen werden, so dass die verbliebenen Bäume genug Licht und Nahrung haben. Maschineneinsätze koordiniert er und weist die Arbeiter ein. Den Holzverkauf wickelt er ab. Im Frühjahr und Sommer sorgt er sich um den Ein-kauf von Jungbäumen und deren Pflanzung. Bis vor 50 Jahren kümmerten sich die Waldbesitzer selber um Ihre Wälder. Das Holz verkauften sie an ein Sägewerk in der Nähe. Wer den besten Preis bot, bekam das Holz. In Dahlenburg gab es 3 Säge-werke bis dahin. Sie sind alle dem Strukturwandel gewichen. Das Holz wurde nicht mehr hier verarbeitet, sondern wurde nun global vermarktet. Es landete in Schweden und auch in China. In diesem Wandel wurden Forstverbände gegründet. Was vor-her jeder Waldbesitzer für sich machte, das übernahm nun der Verband. Es wurde ein Förster angestellt der sich um diese Arbeit kümmerte.
Und weil er so kompetent ist, wurde er in unserem Fall zu Rate gezogen. Er sollte den vermeintlichen Schaden beurteilen.
Zuerst sieht er sich den Heckenabschnitt an, aus dem das Holz gesägt wurde. Hinnerk begleitet ihn dabei und zeigt ihm alles. „Die Hecken stehen ja noch“, ist sein erster Kommentar. „Ich habe ja bereits mit eurem Bürgermeister gesprochen. Nachdem, was er mir berichtete, ist alles abrasiert worden. Aber die Hecke ist in Ordnung. Sie muss ausgeschnitten werden. Die hohen Eichen hätten gar nicht so hoch wachsen dürfen“, sagt er. Die Eichen schaut er sich genauer an. Hier kommt er zu dem Urteil, das es selbst ausgesäte Eichen sind. Auch sind einige Pulkeichen dabei. Diese entstehen wenn der Stamm abgesägt wird. Aus dem Stumpf kommen neue Äste. Die stärksten Äste bilden mit den Jahren neue Stämme aus.
Über Jahrhunderte haben Bauern die Hecken für ihr Brennholz gebraucht und selber gepflegt, geschnitten und Bäume und Büsche gepflanzt. Jeder war für seine Hecken verantwortlich. In den Jahren nach 1960 änderte sich vieles im und auf dem Lande. Die Europäische Wirtschafts-Gemeinschaft (EWG) wurde gegründet. Die Bauern sollten Waren zu niedrigen Weltmarktpreisen erzeugen. Subventionen konnten beantragt werden. Diese sollten den Preisverfall der Land-Tierprodukte mildern. Hinnerks Nachbarn rodeten ihre Hecken, damit sie mehr Land zum Bewirtschaften haben. Dieses neu erschlossene Land hatte zusätzlich den Vorteil, das Maschinen und Pflanzenschutzspritzen nicht behindert wurden. An Nachteile glaubten sie nicht, doch sie kamen. Im Herbst und Frühjahr wenn die Felder abgeerntet und der Boden kahl und nackig ist, trugen die heftigen Winde und Stürme die feine Erde davon. Das merkte auch der dümmste Bauer. 1989 wurden neue Hecken gepflanzt , mit staat-lichem Geld. Eine Vereinbarung zwischen Gemeinde und Bauern wurde getroffen. Das erhaltene Geld, das für die Pflanzung nicht verbraucht wurde, bekam die Gemeinde. Dafür verpflichtete sie sich, die Hecken zu pflegen.
Hinnerk und der Förster gehen weiter zum zurückgebrachten Holz. Dieser schaut sich das Holz fachmännisch an und kommt zu dem Urteil das es Brennholz ist. Die Menge veranschlagt er mit maximal 15 Raummetern, die einen Marktwert von 450 € haben. Dieses Ergebnis überrascht Hinnerk nicht. Sie kommen überein, dass der Förster das Ergebnis dem Bürgermeister Uwe mitteilt.
Fortsetzung folgt , nach dem Richterspruch (30. März 2016)
Landgericht Lüneburg verhandelt das Klagebegehren der Gemeinde Boitze